PROJEKTREPORTAGE

Valley, Amsterdam

MVRDV

Mixed-Use hinter Glas. Cenia-Kalkstein prägt das Äußere und Innere von Valley gleichermaßen.

Gemeißelter Wohnblock

  • Autor: Anneke Bokern
  • Fotos: Bart van Hoek

Im Zuidas-Viertel im Süden Amsterdams stehen bis zu hundert Meter hohe Büro- und Wohntürme dicht an dicht. Zwischen all den konventionellen Hochhäusern fällt ein Gebäudekomplex durch seine ungewöhnliche Gestaltung ins Auge: Valley, entworfen von MVRDV, zeigt dem Hochhausviertel zwar auch eine glatte, verspiegelte Außenhaut, präsentiert sich im Inneren jedoch als zerklüftete Steinbruch-Landschaft. Ein wenig wirkt es, als habe man einen verspiegelten Kubus mit dem Geologenhammer aufgeschlagen und drei Türme aus ihm herausgemeißelt.

Gebirgige Wohnlandschaft

Die Grafik zeigt einen Längsschnitt des Projekts Valley von MVRDV.
Die Wohntürme sind 102, 80 und 67 Meter hoch.

Die 102, 80 und 67 Meter hohen Wohntürme wachsen aus einem fünfgeschossigen Sockel. Unter dem Gebäude befindet sich eine dreigeschossige Tiefgarage; über ihr liegen Restaurants und sieben Büroetagen. Zwei steile Treppen führen vom Straßennivau auf die öffentlich zugängliche Sockellandschaft aus spanischem Cenia-Kalkstein. Man kann aber auch per Rolltreppe in den ersten Stock von Valley fahren, wo man sich in der ebenfalls rundum mit Cenia verkleideten Lobby wiederfindet.

MVRDV bezeichnen sie als Grotte – wobei sie mit ihren kantigen Linien eher an künstliche Grotten im Zoo erinnern als an eine natürliche Höhle. Zwei große Oberlichter entpuppen sich bei näherer Betrachtung als Wasserbecken mit Glasboden. Eine Glastür neben der Rezeption führt auf den Trail durch die Grottenlandschaft. Dort befinden sich Wasserbecken, Sitzbänkchen und Staudenbeete, umgeben von den drei zerklüfteten Wohntürmen, die mit ihrer Minecraft-Ästhetik aus dieser Perspektive recht ehrfurchterregend aussehen. Auf Dauer wird dazu auch die ganzjährige Gebäudebegrünung beitragen, die momentan noch eher spärlich ist, dem Bauwerk in zwei bis drei Jahren jedoch einen beinahe postapokalyptischen, überwucherten Anblick verleihen soll. Entwickelt wurde das Begrünungskonzept von Piet Oudolf, dem Großmeister der niederländischen Landschaftsarchitektur.

Valley beruht auf vielfältigen Grundrissformationen

Alle Wohnungen in Valley haben entweder einen Erker, einen Freisitz oder eine begrünte Terrasse auf dem Dach eines vorgelagerten Erkers. Die Form dieser Ausstülpungen haben die Architekten zunächst intuitiv gestaltet, später aber mit Hilfe von Computermodellen optimiert. Parameter wie Lichteinfall, Privatsphäre, Sichtachsen, Lärmschutz und strukturelle Effizienz bestimmten deren Ausrichtung. Auch der Wildverband der Fassadenplatten wurde mithilfe von Computer- Scripts generiert und wie ein Puzzel zusammengefügt. Entstanden ist eine Stapelung von Erkern mit zehn verschiedenen Winkeln, darunter elf sogenannte Specials – besonders weit auskragende Ausstülpungen, die als vorgefertigte Stahlkonstruktion an die Fassade gehängt wurden. Dementsprechend haben die 198 Mietwohnungen, deren Größe von 55 bis 400 Quadratmeter variiert, alle verschiedene Grundrisse.

Uneingeschränkte Sicht

Das Foto zeigt eine Balkonansicht aus dem Neubauprojekt Valley von MVRDV.
Uneingeschränkte Sicht: In allen drei Türmen sind die Wohnungen mit maßgefertigten Versionen der Glas-Faltwand-Systeme Ecoline und Highline von Solarlux ausgestattet.

In allen drei Türmen sind die Wohnungen mit maßgefertigten Versionen der Glas-Faltwand-Systeme Ecoline und Highline von Solarlux ausgestattet. Insgesamt sind es dreiundzwanzig Sonderanfertigungen mit schlanken, voranodisierten Aluminiumprofilen, die aus fünf bis acht Einzelelementen bestehen und teils mehrere Ecken mit unterschiedlichen Winkeln überspannen. Nach dem Auffalten können die Glaswände als schmale Pakete an der Seite geparkt werden. Ist die gesamte Fensterfront geöffnet, fühlt man sich sogar in den Wohnungen ohne Außenraum wie auf einem überdachten Balkon. Auch die Loggien in den nach außen, in den Straßenraum gewandten, verspiegelten Fassaden von Valley wurden mit einem Schiebe-Dreh-System von Solarlux versehen.

Die durchgängigen Glasflächen des Systems SL 25 bieten den Bewohnerinnen und Bewohnern einen unverstellten Ausblick und lassen sich komplett auf die Seite schieben, aber auch nach innen oder außen drehen. Sie wurden mit einem gläsernen Brüstungselement, dem ungedämmten Fassadenmodul SL Modular, kombiniert. Die Glas-Faltwände mussten nicht nur hohen Schallschutzanforderungen genügen, sondern müssen, vor allem in den höheren Etagen, auch hohen Windlasten standhalten. Ab einer Höhe von sechzig Metern kamen die dickeren Gläser von Highline zum Einsatz. Dennoch kommen alle Systeme mit erstaunlich schlanken Rahmen aus. Da die Profile außerdem farblich an die Fassaden angepasst wurden, fügen sie sich beinahe unmerklich ein – sowohl in die harte, verspiegelte Schale, als auch in den steinernen, begrünten Kern.


 

 

Architekten

MVRDV
mvrdv.com
Achterklooster 7 3011 RA Rotterdam Postbus 63136 3002 JC Rotterdam

MVRDV wurde 1993 von Winy Maas, Jacob van Rijs und Nathalie de Vries gegründet. Zweihundertfünfzig Architekten, Designer und Stadtplaner ent-wickeln Projekte in multidisziplinären, gemeinschaftlichen Entwurfsprozessen, die eine strenge technische und kreative Untersuchung beinhalten.

Projekte (Auswahl)

2022 Grotius Towers, Den Haag
2020 Depot Boijmans Van Beuningen, Rotterdam
2019 Werk12, München
2014 Markthalle, Rotterdam

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